Eine der wenigen Tourneen die ich nicht live erleben konnte war “We Can’t Dance“. Ende der 80‘ hatte sich die Fernsehlandschaft hierzulande erheblich gewandelt und es gab zu den privaten Fernsehsendern auch erste Pay-TV Sender. Der bekannteste war seinerzeit Premiere. Um mehr Abonnenten zu gewinnen wurden wenige Sendungen unverschlüsselt ausgestrahlt. Mein Freund der in Ulm lebte hatte Kabelanschluss und konnte Premiere empfangen. Natürlich wusste er von meiner Leidenschaft für Genesis. Als er erfuhr dass ein Konzert aus dem Knebworth-Park in England komplett übertragen wird, hat er mich gleich benachrichtigt.
Meine Freude war riesig, da ich ja leider keine der Shows in Deutschland besuchen konnte. Es war Sonntag der 2. August 1992, ein schwül-heißer Sommertag. Das Ganze hatte unglücklicherweise einen Wermutstropfen, in der Woche vor dem Konzert fing ich mir eine heftige Sommergrippe ein. Eigentlich war ich gar nicht in der Lage nach Ulm zu fahren, tat dies aber dennoch trotz Protesten meiner Familie. Ich wollte mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen wenn ich schon auf kein Konzert gehen konnte. Bei meinem Freund belagerte ich den ganzen Samstag die Couch und „lag in der ersten Reihe“, dabei versorgte er mich mit Tee und Taschentüchern. Für damalige Verhältnisse hatte er eine tolle Soundanlage, so konnte ich den Auftritt von Genesis über Spitzen-Boxen hören und nicht nur über die mageren Lautsprecher eines Fernsehgerätes. Fast den ganzen Tag strahlte Premiere ein Sonderprogramm zum Konzert aus, viele Hintergrundberichte zur Tour und zum Konzert und natürlich auch Werbung in eigener Sache. In meinem angeschlagenen Gesundheitszustand mußte ich einen langen Tag bis Konzertbeginn am Abend durchstehen. Aber was ein wahrer Fan ist… Übrigens, dies war die große Zeit der Videorecorder, mein Freund besaß einen solchen und natürlich haben wir alles aufgezeichnet. Noch eine ganze Weile später habe ich die Bänder sorgsam gehütet und vor versehentlichem Löschen geschützt, bis dann die DVD ihren Einzug hielt und alles ganz einfach wurde… Heute kann man sich das komplette Knebworth-Konzert auf „youtube“ problemlos immer wieder ansehen.
Die Setliste der Tour umfasste große Teile des sehr erfolgreichen „We can’t Dance“ Album, nur wenige Stücke älterer Alben und das von mir ungeliebte „Medley“. Aber so kam man in den Genuss wenigstens ein paar Songs aus den frühen Tagen zu hören. Auf dieser Tour wurde einmal mehr alles größer und gigantischer als auf früheren Tourneen. So verwunderte es auch nicht, dass vier Wochen nach dem Beginn des Kartenvorverkaufs im November 1991 bereits 400.000 Karten für die Konzerte auf deutschem Boden verkauft waren.
Was die technische Seite der Show betrifft setzte Genesis erneut Maßstäbe. Licht und Ton waren wie so oft fast konkurrenzlos. Weltweit fanden rund 60 Shows in Stadien statt, am Ende der Tour in England gab es noch eine größere Zahl von Hallenkonzerten. Darunter waren etliche Shows in kleinen Theatern mit durchschnittlich 2.000 Zuschauern. Diese Auftrittsorte wurden aufgrund der persönlicheren Atmosphäre gewählt, sie waren ein besonderes Highlight für die Fans. Hier wurde natürlich auf die Screens verzichtet, die dann durch eine veränderte Ligthshow mit weiteren Varilites gewissermaßen ersetzt wurden.
Wenn ich diese Tour auch nicht live erlebt habe, so hatte ich ein Konzerterlebnis ganz besonderer Art. Jener Tag hat auf vielfache Weise Erinnerungen in mir wach werden lassen. Diese verbinde ich auch mit meinem Freund der 10 Jahre später viel zu früh verstarb und eine große Lücke bei mir hinterlies.