Bei den Konzerten dieser Tour steht das 1972er Genesis-Album „Foxtrot“ im Mittelpunkt. Es trug seinerzeit entscheidend dazu bei, die Band als eine der wichtigsten Kräfte im britischen Rock zu etablieren. Hackett blickt voller Vorfreude auf die Konzerte: „Ich denke, ‚Foxtrot‘ war ein großartiger Erfolg für Genesis zu jener Zeit. Meiner Meinung nach gibt es keinen einzigen schwachen Track auf dem Album, sie haben alle ihre Stärke und ich freue mich wirklich darauf, das ganze Album live zu spielen!“
Viele verbinden Genesis nur mit den Frontmännern Phil Collins und Peter Gabriel. In den 70er prägte aber auch der Gitarrist Steve Hackett den besonderen Sound der Band. Er tourt noch immer und setzt dabei auf Genesis-Klassiker und natürlich auch auf eigene Stücke.
Ist das eine Art Ausverkauf, oder nur Geld-Macherei mit dem noch immer großen Namen? Auf diesen Gedanken könnte man vielleicht kommen, aber: Nein, so einer ist Steve Hackett nicht, er ist noch immer kreativ. Er verlies Genesis Ende der 70er, da er die Möglichkeit sich musikalisch zu entfalten sehr eingeschränkt sah. Immerhin waren Genesis damals eine Progressive-Rock Band, die sich noch immer im Experimentiermodus befand. Hackett wollte mit seiner Gitarre immer noch mehr ausprobieren. Seit Jahrzehnten veröffentlicht er Solo-Alben, spielt seine Musik gleichberechtigt neben den alten Genesis Hits live, auch an diesem Abend in der Nürnberger Meistersinger-Halle. Sein Spektrum ist weit gefächert, er kennt keine Berührungsängste. Mehrere Alben hat er mit der ungarischen Jazz-Band Djabe eingespielt und ging mit ihnen auf Tour. Auch das in meinen Augen wenig beachtete Werk „A Life within a Day“ von Squackett, das er zusammen mit dem leider zu früh verstorbenen Ausnahme-Bassisten Chris Squire von Yes einspielte.
Das Publikum in Ehren ergraut, ist an diesem Abend nicht nur wegen alter Heldenverehrung gekommen. Sie haben Lust auf Prog, neues wie altes Material und eben auf diese komplizierte Spielform der Rockmusik mit seinen komplexen Harmoniefolgen. Und das liefern Steve Hackett und seine fünf Mitmusiker an Bass, Schlagzeug, Gesang, Blasinstrumente und allerlei atmosphärischen Keyboard-Sounds. Ungeübtere Ohren mögen zuweilen überfordert sein, sind die Titel doch selten unter zehn Minuten und viele rein Instrumental. Aber dies wird nie langweilig, denn Hacketts Kompositionen nehmen viele Drehungen und Wendungen, aber nie komplett wegdriften. Ein klarer 4/4-Takt ist zwar eher eine Ausnahme, aber gerade wenn die Kompliziertheit Überhand zu nehmen droht, fängt ein hymnisches Crescendo die Truppe wieder ein. Mit seinen 73 Jahren klingt Hackett immer noch verspielt und frisch, die Klänge sprudeln nur so aus seinem Instrument heraus. Das ist virtuos und einfach nur schön, wenn die Harmonien sanft fließen, wenn komplizierte Soli mit einer prägnanten, einfachen, aber wundervollen Melodie-Linie enden.
Ein wenig bleibt bei der Show die Handbremse angezogen. Das liegt vermutlich daran, dass die Band zwar gewissenhaft, angemessen virtuos und durchaus mit Freude, aber eben nicht leidenschaftlich aufspielt. Dies liegt vermutlich an der kompletten Bestuhlung, nicht wie zu früheren Zeiten mit viel freier Fläche vor der Bühne. Der Altersdurchschnitt liegt mit Sicherheit weit über 50. Die Veranstalter gingen hier vielleicht auf Nummer Sicher und haben komplett bestuhlt und damit dem „höheren“ Alter des Publikums entsprochen. Viele haben die Musik mit geschlossenen Augen auf sich wirken lassen, um darin eintauchen.
Nach circa einer Stunde ist dann erstmal Schluss mit Hackett-Songs und es kommt für die meisten Fans der Höhepunkt des Abends. Die Band spielt das komplette Album „Foxtrot“ von Genesis, eines ihrer großen Werke aus den 70ern, inklusive des 25-Minuten-Epos „Supper‘s Ready“. Der charismatische Frontmann Peter Gabriel ist natürlich nicht einfach zu ersetzen. Denn während die Solo-Songs von Hackett natürlich klar auf ihn und sein Gitarrenspiel zugeschnitten sind, lebte Genesis von der unglaublichen Ausstrahlung Gabriels. Der langjährige Sänger von Steve Hackett „Nad Sylvan“ trifft mit seiner Stimme durchaus den Sound jener Jahre. Mit seiner schwelgerischen Aura, seinem theatralen Auftreten passt er sehr gut in dieses Konzept. Ich hätte mir an diesem Abend nur gewünscht die Stimme von Sylvan wäre etwas mehr in den Vordergrund gemischt worden. Da ging doch einiges verloren. Ein Peter Gabriel ist mit seiner Stimme, seinen großen Gesten, seiner Präsenz eben nur schwer zu ersetzen. Dennoch war es ein imposanter Auftritt in Nürnberg, mit vielen Höhepunkten. Steve Hackett und seine Band konnten mich in allen Punkten überzeugen und dies ist gar nicht so einfach….