In den frühen Tagen dieser Band hat sie ein wenig mit der Verbindung zur weltbekannten Zigaretten-Marke Camel gespielt, was ihr erfolgreich gelang. Das Cover des zweiten Albums „Mirage“ zierte das leicht verfremdete Werbemotiv der Zigaretten-Packungen. Ein mehr als wirkungsvoller Hingucker, damals waren es noch Schallplatten die allein durch ihre Größe unübersehbar waren. Dies nur als kleine Anekdote, denn Camel war mehr als das, sehr viel mehr.
Camel gehört noch heute zu meinen Lieblings-Bands, ihr Sound klingt einzigartig und unverwechselbar, über viele Jahrzehnte habe ich sie nie aus den Augen verloren. Am 08.Oktober 1976, während ihrer Moonmadness-Tour hatte ich in Neu-Ulm meine erste Begegnung mit ihrer Musik. Gemeinsam mit meinem Bruder erlebte ich im ausverkauften Konzertsaal jenen Auftritt. Heute gibt es diese Spielstätte nicht mehr. Sie wurde etwa um 1900 erbaut und war damals Ort für allerlei Feste, Gastronomie, Tanzsaal und immer wieder auch „Konzertarena“. Das Gastspiel an jenem Abend hat mich sehr beeindruckt, obwohl ich die Band bis dato nur vom Hörensagen kannte. Das Album zur Tour habe ich mir nach dem begeisternden Auftritt Tags darauf gekauft und wurde nicht enttäuscht.
Ein Jahr später waren Camel erneut in Ulm zu Gast, nun in der deutlich größeren Ulmer Donauhalle. Wie sich herausstellte erwies sich dies nicht als Vorteil. Auf dieser Tour präsentierten sie ihr neues Album „Rain Dances“. Es war ein eindrucksvoller Auftritt, ihr Sound hatte sich leicht verändert, durch den Saxophonisten Mel Collins wurde er etwas jazziger. In meinen Augen war es die stärkste Besetzung ihrer Bandgeschichte, die live besonders überzeugte. Einziger Wermutstropfen an diesem Abend war, der mir unverständliche geringe Zuspruch der Besucher. Die Ulmer Donauhalle war leider nur etwa zur Hälfte gefüllt, was ich sehr bedauerlich fand. Camel hätte an diesem Abend mehr Publikum verdient.
Die beiden wichtigsten Bandmitglieder waren der Gitarrist Andrew Latimer und der Keyboarder Peter Bardens. Beide waren lange Zeit für den einzigartigen Camel-Sound verantwortlich. Als Gründungsmitglied ist Andrew Latimer ohnehin die Konstante der Band, die in ihrer langen Geschichte von häufigen personellen Wechseln geprägt war. Durch ihre melodischen Kompositionen mit längeren Instrumentalteilen eroberten sie Publikum und Kritiker gleichermaßen, wenngleich ich sie immer als ewigen Geheimtip empfunden habe. Eine Musik die niemals aufdringlich wirkt. Wer Bandleader Andrew Latimer jemals live gesehen hat, weiß wie sich eine gute Rockgitarre anhört und welche Gefühle diesem Instrument entlockt werden, wenn man es wie er beherrscht. Ich kenne kaum einen Musiker, der seine Stücke und sein Gitarrenspiel so intensiv interpretiert und auf die Bühne zaubert. Nicht zu vergessen sein wundervolles Querflötenspiel, dass viel zum Sound von Camel beiträgt.
Nach dem Album „Breathless“ verließ Peter Bardens 1978 im Streit mit Latimer die Band, ein herber Verlust. Nach Jahren des Schweigens näherten sich die beiden wieder an und planten eine Reunion, die durch den Tod Bardens im Januar 2002 leider nicht mehr zustande kam. Im gleichen Jahr widmete Andy Latimer das Album „A Nod and a Wink“ dem gerade Verstorbenen. Im Laufe des langen Bestehens der Band gab es immer wieder wechselnde Besetzungen, die sich aber nie negativ auswirkten. Leider leidet Andy Latimer seit vielen Jahren an einer schweren Blutkrankheit, dass er trotzdem musikalisch noch so aktiv ist, mehr als bewundernswert.
Zwei Werke aus der Welt von Camel sind für mich besonders erwähnenswert. „The Snow Goose“ und “Moonmadness”. Beide Alben spiegeln die damals sehr angesehene Form der Konzeptalben wider. Beginnen will ich mit „The Snow Goose“, es ist eine Sternstunde im instrumentalen Progressiv Rock. Klangbilder in symphonischer Struktur und größter Perfektion. Die Grundlage zu dieser Aufnahme war eine Geschichte des amerikanischen Schriftstellers Paul Gallico. Seine Erzählung hat Camel zu dieser muskalischen Umsetzung inspiriert. Ein Album welches zu den Klassikern dieses Genre zählt.
Wie nicht schwer zu erraten thematisiert „Moonmadness“ den Mond. Basierend auf ruhigen Keyboardstrukturen entstand ein ausgeglichenes Album, getragen von einer gewissen Melancholie. Der Opener „Aristillus“ wurde inspiriert durch den gleichnamigen Krater, gelegen in der Nähe des Landepunktes von Apollo 15. „Song within a Song“ langsam im Aufbau mit dynamischem Finale. Die beiden Titel „Chord Change“ oder „Another Night“ stehen den anderen Songs etwas rockiger gegenüber. Das fast schon zärtlich klingende „Spirit of the Water“, zum dahin schmelzen. Besonders gelungen empfinde ich „Airborne“, durch sein meisterhaftes Flötenspiel entfaltet es sich nahezu schwerelos. „Lunar Sea“ bildet den Abschluss, zu diesem Song habe ich in einer Musikzeitschrift gelesen: man könne sich hier gut auf dem Mond vorstellen. Das Mare Imbrium, direkt neben Aristillus gelegen, stand wohl Pate für diesen instrumentalen Schlusspunkt des Albums. „Moonmadness“ ist ein in sich geschlossenes und stimmiges Werk, eine Aufnahme ohne Schwachpunkte. Noch heute zählt es zu meinen ganz persönlichen Lieblings-Alben. Inzwischen gibt es eine CD und DVD mit einem Konzert-Mitschnitt aus der Londoner „Royal Albert Hall“ vom September 2018, hier wurde unter anderem das komplette Album an einem Stück, ohne Unterbrechung aufgeführt – absolut hörenswert.
Es gibt noch eine Reihe interessanter und guter späterer Werke von Camel die durchaus erwähnenswert sind. Ich nenne hier als Beispiele „Stationary Traveller“, „Harbour of Tears“, „Rajaz“, „Nude“ oder das hier bereits erwähnte „A Nod and a Wink, alles Alben die sich auf hohem musikalischen Niveau bewegen. Camel tourt bis heute, in diesem Jahr sind sie zu ihrem 50- jährigen Jubiläum unter dem Motto „Camel – 50 Years Strong“ auch in Deutschland unterwegs. Im Mai wollte ich sie nach vielen Jahren, eigentlich Jahrzehnten wieder live erleben, ihr Konzert in Böblingen stand bei mir auf dem Programm. Leider ist Andrew Latimer erkrankt und die komplette Tour wurde abgesagt. Die Konzerte sollen nachgeholt werden, leider noch ohne neue Termine.