Eine Reise ins Goldene Zeitalter des Art-Rock

Yes in der Olympiahalle München am 10.06.2004

 

 

Gab es ein goldenes Zeitalter im Rock? Wenn ja, dann waren es sicherlich die frühen Siebzigerjahre. Es war die Epoche der intellektuell ausgerichteten Konzeptalben. In diesem Jahrzehnt entstanden monumental inszenierte Rock-Epen. Die Bands jener Ära waren immer auf der Suche nach „dem Sound“. Künstler wie Genesis, Emerson, Lake & Palmer, Gentle Giant oder eben Yes, standen in einer Art von Konkurrenz wer mit mehr Trucks und größeren Lautsprechertürmen auf Tour geht. Dies scheint es heute so nicht mehr zu geben. Die Rockmusik von damals wurde fast vollständig vom „Drei-Minuten- und Eine-musikalische-Idee-Gedudel des Retortenpops“ abgelöst.

Riesige, futuristisch anmutende Ballons in ausgeprägten psychedelischen Formen umrahmten die Bühne.  Kein Geringerer als Roger Dean, seit Jahrzehnten Haus–und Hofmaler von Yes, hat dies Bühnendesign zur Jubiläums-Tour entworfen. Drummer Alan White war umgeben von  „Zusatz-Trommeln“, die er zu Anfang der Show einsetzte und die bunt ausgeleuchtet einen tollen Effekt erzeugten.  Das Konzert fand in der über 12.000 Zuschauer fassenden Olympiahalle statt, was doch recht gewagt wirkt für eine Band, die man so gut wie nicht mehr im Radio hört und deren Fans sich fast ausschließlich aus der Gruppe der 40- bis 55-Jährigen rekrutiert. So war die Halle dann leider nur etwa zur Hälfte gefüllt. Aber das ganze Equipment  der „35th Anniversary Tour“ hätte auch nicht in eine kleinere Location gepasst. Noch eine kleine Anektdote zu diesem Konzertbesuch. Es war eine spontane Idee meiner Tochter und mir an diesem Tag nach München zum Auftritt von Yes zu fahren, wir hatten keine Eintrittskarten und hofften an der Abendkasse noch welche zu bekommen. Dort fragte ich schon fast schüchtern nach ob es denn noch Karten gibt? Die Dame am Kassenschalter meinte  ob ich mit zwei Plätzen in der ersten Reihe zufrieden wäre? Zufrieden? Welche Frage, ich war begeistert.

Yes, eine Ikone des Progessiv-Rock war an diesem Abend im klassischen „Line-up“ mit Rick Wakeman, Jon Anderson, Steve Howe, Chris Squire und Alan White am Start. Großes Kino war also angesagt, entsprechend legten sich die älteren Herren bei Klassikern wie „Sweet Dreams“, „All Good People“, „And You and I“ oder „Your’s is No Disgrace“ ins Zeug. Rick Wakeman ließ es, verschanzt hinter seinem Turm diverser Keyboards, strahlen wie in den besten Tagen. Steve Howe bewies von der Slide Guitar bis zur Konzertgitarre, welch überragenden Lehrer er für viele junge Gitarristen abgeben würde. Nicht zu vergessen Chris Squire mit seinen markanten Bassläufen, die für den typischen Yes-Sound sorgen. Über allem Jon Andersons unverwechselbare Tenorstimme, die den Sound der Band wohl am meisten geprägt hat. Das Konzert bestand aus zwei Teilen mit einer kurzen Umbaupause.

Nach der Pause überraschte Yes mit einem Akustik-Set. Ein „Roundabout“ als Chicago Blues oder „Owner of a lonely Heart“ von sämtlichem Bombast befreit – besser als mit diesem „unplugged“ hätten sie nicht beweisen können, welch exzellente Musiker und welche kompositorischen Fähigkeiten hinter der gelungenen Show stecken. Besonders dieser Teil nach der Pause war eine Galavorstellung. Die Akustik-Versionen waren sensationell,  dabei kamen mir fast die Tränen.

Zu diesem Konzert begleitete mich damals meine 17 jährige Tochter, die sich durchaus für diese leider fast vergessene Richtung der Musikgeschichte begeistern konnte. Wir hatten einen phänomenalen Platz in der ersten Reihe-Mitte, also direkt vor der Bühne. Das Geschehen auf der Bühne war perfekt einzusehen, eine unfassbare Nähe zu den Musikern. Dieser Platz verhalf uns zu einem ganz besonderen Erlebnis. Bei einem der Songs in der zweiten Konzerthälfte kommt Jon Anderson von der Bühne und geht durch die Reihen des Publikums. Nachdem wir ja ganz vorne saßen, kam er auch zu meiner Tochter und mir und klatschte uns mit der Hand ab. Ein echtes Highlight….

Noch ein besonderer Nachtrag. Am Ende des Konzertes waren auf einmal  16 Trommler auf der Bühne die Alan White unterstützten und gemeinsam mit Jon Anderson an den Pauken einen magischen Rhythmus entfalteten. Nähere Informationen zum Auftritt der Trommler waren gar nicht so leicht zu ermitteln. Aber nach längerer Recherche fand ich einen Artikel mit den genauen Hintergründen dieses einzigartigen Auftritts, er wurde seinerzeit auf der Homepage von „drummer’s focus“, München veröffentlicht.

„Eine spontane Idee des YES-Drummers Alan White am Vorabend des Yes-Konzerts in der Olympiahalle München am Donnerstag 10. Juni ’04 in einem Münchner Biergarten führt dazu, dass 16 drummer’s focus Schüler und Lehrer das Finale des YES-Konzertes in der Olympiahalle unterstreichen und gemeinsam mit der Band auf der Bühne stehen!!! Noch Mittwoch-Nacht ruft Cloy Petersen die Teilnehmer zusammen, die daraufhin auf Abruf stehen, bis alle Fragen geklärt sind. Am Donnerstag-Mittag erklärt Alan im Hotel Bayerischer Hof die Details und Cloy schreibt das Finale auf Noten, während ihm Alan die Passagen auf einem Tisch im Foyer vortrommelt.”

„Alle Teilnehmer werden zwischen 14 und 16 Uhr verständigt, um sich schon um 16:30 Uhr zur Probe in der Olympiahalle zu treffen. Jeder Teilnehmer bekommt Pässe für sich und für eine Begleitperson. Nach der Probe übertragen alle Spieler die Noten vom Papier auf das Snaredrum-Fell. Die Zeit wäre zu kurz gewesen, um sich die doch relativ anspruchsvollen Abläufe merken zu können und die Aufführung wird zu einem Blattspiel vom Fell…“

„Die Spieler besuchen das Konzert als Zuschauer bis zum Titel „Owner Of A Lonely Heart“, dies ist das Stichwort, sich hinter der Bühne zu versammeln und auf Standby zu bleiben. Einige Zeit vergeht und der Bühnen-Regisseur holt die Spieler auf die Bühne. 16 df-Trommler unterstreichen das pompös-orchestrale Finale „Ritual“ von YES!“

 „Die Show hat absolut perfekt funktioniert, die Trommler spielten wie aus einem Guss, die Zuschauer der bestuhlen Arena der Olympiahalle standen Kopf und waren mitgerissen! Nach dem Finale während des Abgangs der Musiker entschied Alan White, dass die Trommler für die Zugabe „Starship Trooper“ mit der Snare in der Hand noch einmal auf die Bühne kommen sollen. Gesagt – getan: die Zugabe wurde improvisiert und auf „2 und 4“ tatkräftig unterstützt! Für alle Beteiligten ein unvergessenes Erlebnis: mit YES“