Genesis nach Peter Gabriel und vor Phil Collins, eine persönliche Betrachtung….

In Fankreisen gibt es eigentlich nur zwei Genesis-Phasen, mit Peter Gabriel und jene mit Phil Collins. Lassen wir mal Ray Wilson außen vor, ich persönlich schätze ihn sehr, besonders seine Qualitäten als Sänger und Songwriter.  Leider bekam er nur die Chance für ein Album mit Genesis. Für mich gibt es aber eine weitere Phase, man könnte sie auch als eine Art von Übergang bezeichnen. Ich bin überzeugt nach dem Ausstieg von Gabriel dokumentieren die beiden ersten Alben „A Trick of the Tail“ 1976 und „Wind and Wuthering“ 1977, die kurz hintereinander erschienen,  noch sehr deutlich die Handschrift der Gabriel Ära. Vielleicht eine gewagte These,  zu der ich aber stehe. Mit Gabriels Ausstieg, so war es 2016 in einem Interview mit Steve Hackett im Magazin „eclipsed“ zu lesen, geriet das Bandgefüge ein Stück weit aus dem Gleichgewicht und hatte sich deutlich zu seinen Ungunsten verschoben. Neben Banks drängten nun Rutherford und allmählich auch Phil Collins mit ihren Ideen in den Vordergrund, die auf eine noch nicht poppige, aber doch deutlich zugänglichere Art der Musik aus waren, sei es über kürzere Stücke oder einfachere Texte.

Eine Band in der Neufindung….

Beide Alben stehen in meinen Augen noch ganz in der Tradition der frühen Jahre der Band, die Kompositionen sind in ihrer Struktur ähnlich wie zum Beispiel bei „Selling England…“, die Texte leicht skurril, Englisch verschroben und sehr phantasievoll.  Man könnte vermuten Peter Gabriel hätte musikalisch und textlich durchaus seine Freude an den beiden Alben haben können. Aber wie wir alle wissen verlief seine musikalische Entwicklung als Solo Künstler in eine andere Richtung. Selbst das Artwork der beiden Plattencover reihte sich in das Erbe früherer Jahre ein.

Steve Hackett, über viele Jahre prägendes Mitglied der Band, stand nach den besagten Alben vor seinem Abschied. Schon während der Arbeit an  „A Trick of the Tail“ 1975 entstand sein erstes erfolgreich veröffentlichtes Soloalbum „Voyage of the Acolyte“. Der eigentliche Bruch im Bandgefüge und die daraus resultierende Veränderung von Genesis wurde nach dem Ausstieg von Steve Hackett deutlich.  Sein Vermächtnis als Bandmitglied ist auf einem der besten Live-Alben der Rockgeschichte zu hören, mitgeschnitten während der „Wind & Wuthering-Tour“.  Jenes Doppelalbum wurde unter dem vieldeutigen  Titel  „Seconds Out“ veröffentlicht, es markierte gleichzeitig das Ende der Progressive-Rock-Phase von Genesis. (Siehe eigener Beitrag)

 

 

And then there were Three

Das neunte Studioalbum  mit dem selbstironischen Titel „And Then There Were Three“  erschien 1978, es wurde von  Phil Collins und den beiden  Gründungsmitgliedern Mike Rutherford und Tony Banks  in den Niederlanden eingespielt. Wenige Jahre später leistete sich die Band in England ein eigenes Ton-Studio, genannt „The Farm“  in  der  Grafschaft Surrey, hier entstanden alle ihre späteren Werke. Dahinter stand die Absicht der Band zu jeder  Zeit ein Studio zur Verfügung zu haben.  Die Band schrumpfte zum Trio und wurde nur bei den späteren Tourneen durch zusätzliche Musiker ergänzt.  Hier entwickelte sich durch den Drummer Chester Thompson und den Gitarristen  Darryl Stuermer  eine feste Konstellation, die bis zur Tournee „Turn it on Again“ 2007 anhielt.

Dies  Album war auch für mich eine Zäsur in der Bandgeschichte.  Enthielt es bis dato untypisch für Genesis überwiegend kurze Stücke, darunter der sehr erfolgreiche Song „Follow you, Follow me“, der sich zum Hit entwickelte. Der größer werdende Einfluss von Phil Collins und die Entwicklung hin zum Pop-Rock war bereits zu spüren. Ich tat mich damals schwer mit diesem Album und tue dies bis heute.  Bei späteren Veröffentlichungen war die Dominanz von Phil Collins noch wahrnehmbarer, gleichwohl behielten sie durch das Genesis  Song-Writing immer ein hohes musikalisches Niveau.  Es entstanden auch in dieser Zeit außerordentlich gute und wichtige Songs die bei Live-Auftritten zum festen Bestandteil der Set-List wurden.  Besonders in den 80‘ und 90‘ war einem nicht immmer bewusst ob es sich um ein Genesis-Album, oder eine der  beispiellos erfolgreichen Phil Collins Solo-Veröffentlichungen handelte. Dies löste bei den Hardcore-Fans oft Verärgerung und Unverständnis aus, bestes Beispiel hierfür der Titel „Paper Late“ auf der US-Version des Albums „Three Sides Live“, oder „No Reply at All “ von „Abacab“, die durchaus auf ein Collins-Album gepasst hätten. Andererseits versuchte die Band einen Teil ihres Bombasts abzuwerfen und neue Wege bei den Arrangements zu beschreiten. Zur Ehrenrettung sei gesagt, in der stark von Phil Collins geprägten Phase gewann Genesis eine Unmenge neuer Fans hinzu.

Fazit: 

Es gab eben nicht nur die beiden besagten Phasen sondern noch etwas dazwischen, für mich zählen die hier entstandenen beiden Alben zu den Kreativ-Zeiten der  Band-Geschichte. Leider sind sie etwas in Vergessenheit geraten, enthielten sie doch meisterhafte Titel wie  beispielsweise „Eleventh Earl of Mar“, „One for the Wine“, „Mad Man Moon“, „Dance on a Volcano“ oder „Ripples“. Die folgenden, deutlich kommerzielleren Jahre sind dessen ungeachtet ein wesentlicher Bestandteil  der Historie von Genesis.  Ihnen gelang es in ihrer langen Karriere weltweit über 150 Millionen Tonträger zu verkaufen, ein über Jahrzehnte anhaltender Erfolg.  Als Ritterschlag für jede große Rockband gilt die Aufnahme  in die “Rock and Roll Hall of Fame“, die Genesis als wichtige und einflussreiche Band im März 2010 zuteil wurde.