Ray Wilson / Hubertus Saal Nürnberg 04.April 2025

 

Voller Vorfreude auf Ray Wilson habe ich mich zusammen mit meiner Frau auf den Weg nach Nürnberg gemacht, um einen Auftritt seiner aktuellen Tournee „30 Years“ zu erleben. Mein letzter Konzertbesuch mit ihm lag schon eine zeitlang zurück, daher war die Spannung umso größer. Es war natürlich auch das Tour-Motto von Ray das mich ansprach, aber dieser 4. April war ein ganz besonderes Datum, fast schon „historisch“. Genau an diesem Tag vor 50 Jahren besuchte ich mein erstes Genesis-Konzert „The Lamb lies down…“ in München, schon ein kuroses Zusammentreffen… Ein paar Worte zur Location an diesem Abend die ich zum ersten Mal besuchte. Es war der „Hubertus Saal“ in Nürnberg im Stadtteil Gibitzenhof gelegen. Ein reizvoll gestaltetes Jugendstil-Ambiente zeichnet diesen Theater- und Konzertsaal aus, hier finden etwa 300 Zuschauer Platz. Allein diese stilvolle Umgebung lies mich auf einen schönen Konzertabend hoffen.

Pünktlich um 20.00 Uhr startete das Konzert mit „Turn it on again“, einem bekannten Titel aus Genesis-Tagen. Und so ging es Schlag auf Schlag weiter, Ray gibt auf dieser Tour die Genesis-Vollbedienung und das Publikum nahm es dankend an… Songs aus der Phase mit Peter Gabriel („Carpet Crawlers) wechseln sich ab mit den Hits der Collins-Ära wie „Land of Confusion“, „Follow you, Follow me“, „That’s all“ oder „No Son of mine“. Die Zusammenstellung bis zur Pause bestand großteils aus Genesis-Stücken, das Programm hätte auch „Best of Genesis“ heißen können. Im Nachhinein betrachtet ist die Bezeichnung „30 Years“ etwas irreführend. Unter anderem spielte er auch den Titelsong von „Calling all Stations“, dem einzigen gemeinsamen Album mit Genesis, in meinen Augen etwas unambitoniert, fast lustlos. Vielleicht hat es auch damit zu tun wenn man seinen umfangreichen Tourkalender betrachtet… dann wird wohl jedem bewußt was ich damit meine. Fast jeden Tag Höchstleistung zu bringen empfinde ich in diesem Geschäft nahezu übermenschlich. Inzwischen gibt es ja viele Genesis-Cover-Bands, aber hier unterscheidet sich Ray Wilson in einem entscheidenden Punkt: Er war selbst Teil des britischen Progressive-Rock-Flaggschiffs und ist streng genommen sogar ihr letzter Sänger.

Ich muß nicht betonen ich bin Genesis Fan durch und durch, aber auch ein Bewunderer von Ray Wilson und seiner Musik. Mir waren die vielen Genesis-Songs über das gesamte Konzert gesehen etwas zu viel des Guten. So hoffte ich sehr auf den zweiten Teil des Abends, aber auch hier streute Ray Wilson nur sporadisch eigene Songs ein. Ich kenne alle seine Solo-Alben und die damit verbundene Qualität seiner Lieder, daher war ich schon etwas verwundert über dieses Programm, dass nur so wenige seiner eigenen Stücke enthielt. Stattdessen gab es Cover-Versionen von Bob Dylan, Bruce Springsteen und und… die ja nicht unbedingt etwas mit dem Genesis-Umfeld zu tun haben. Wo blieb an diesem Abend der Künstler Ray Wilson mit seiner Musik? Ehrlich gesagt hatte ich erwartet und mir gewünscht das Motto „30 Years“ verbindet mehr seine musikalischen Stationen der vergangenen 30 Jahre. Hat er doch im Laufe der Zeit eine Reihe ganz hervorragender Studioalben und eine Menge an unterschiedlichen Live-Alben veröffentlicht. Für ein abendfüllendes Programm hätten die vielen Songs allemal gereicht. Mir hätte gefallen wenn die ungewöhnliche Bandbreite seiner vielen eigenen Lieder mehr im Fokus gestanden hätte, durchaus angereichert mit ein paar Genesis-Titeln. Aber wie sagt meine Frau immer so schön: „So ist das eben mit der Erwartungshaltung“. In diesen 30 Jahren entstand sein musikalisches Werk, dafür steht er doch. In einem früheren Artikel über Ray hatte ich den Ausdruck verwendet „das Gespenst von Genesis“, ich habe den Eindruck er hat es noch immer nicht abgelegt, es ist eher übermächtig geworden….

Ich kann nicht sagen es war ein schlechtes Konzert, dafür sind er und seine Mitstreiter viel zu gute Musiker. Dennoch überzeugte es mich von allen erlebten Konzerten mit Ray und das waren viele, am wenigsten. Was mir persönlich an diesem Abend auffiel und dies passt zu meinem Gesamteindruck des Konzertes, es gab eine sehr bescheidene Light-Show die ich als eintönig, fast langweilig empfand. Die Ausleuchtung der Show hätte schon etwas mehr Phantasie vertragen. Ich weiß vielen ist dies nicht so wichtig, aber ich betrachte einen solchen Bühnenauftritt immer als Gesamtkunstwerk und dies war mir an diesem Abend eindeutig zu wenig. Aber vielleicht lag es auch an der technischen Ausstattung des Saales, wer weiß… Noch eine Anmerkung am Ende meiner Ausführungen da mein Fazit durchwachsen ausfällt. Es tut mir fast weh wie wenig mich dieser Auftritt begeisterte, insbesondere die Songauswahl. Wirklich enttäuscht wäre vielleicht zu viel gesagt, aber doch etwas ernüchtert. Meine persönliche Kritik trifft vermutlich nicht auf den größten Teil des Publikums zu, da Ray geboten hat was viele von ihm erwartet haben, auch wenn ich es mir anders gewünscht und vorgestellt hatte.

Nachtrag:

Wer vielleicht meine etwas harsche Kritik besser verstehen will, dem empfehle  ich das  Live-Doppelalbum „Time and Distance“ aufgenommen 2016/17. Die Aufnahmen sind zwar kein komplett aufgezeichnetes  Konzert, sondern sie wurden an drei unterschiedlichen Orten mitgeschnitten und für dieses Doppel-Album entsprechend zusammengestellt. Aber hier kommt das zum Tragen was ich versucht habe zu beschreiben. Die erste CD enthält die Klassiker der Legende Genesis, von denen er nicht die Finger lassen kann. Die zweite CD umfasst abseits der ausgetretenen Pfade ausschließlich Wilson Eigenkompositionen, in bestechender Qualität. Sicher müsste ein „30 Years“ Programm dies nicht Eins zu eins übernehmen, aber seine eigenen Stücke dürften in einem  Jubiläums-Repertoire deutlich mehr Raum in Anspruch nehmen.

 

Fotos: Thomas Fay